INCOMING


Bei beiden Schallplatten (INCOMING, SEND) benutzt Duncan die Kurzwelle aus dem Radioempfaenger als Hauptinstrument, bei beiden geschieht die weitere Klangbearbeitung auf analoge Weise. Radiowellen stossen zusammen, schaffen hochabstrakte Gebilde aus Sprachueberlagerungen und rhythmischen Interferenzen. In einem vielschichtigen, gefaechereten Raumbild erwachsen Klanggemische, welche eine grosse dynamische Bandbreite aufzeigen. Vom feinen, metallischen Kratzen, Summen, Brummen und Knarren, trivialen Versatzstuecken aus Agentenfilmen, mystischem Stimmengeschnatter, morseapparatarig gehackten Rufen, pfeifenden Rueckkoppelungen und weissem Rauschen bis zum flatternden Schnarren von Ventilatoren und Vibratoren, von "power industrial", Funkgeraeuschen und gedoppelten Stimmen bis zu mystisch draeuendem, langgezogenen Gewaber knuepft John Duncan ein diffus fliessendes, feingewobenes Klangnetz zusammen. Zum Glueck verfaellt er nicht in den gaengigen, oft beobachteten Fehler willkuerlicher, kuenstlich langgestreckter Uninspiriertheit, sondern schafft ein komplexes Werk, welches phasenweise gewissen Werken des Hafler Trios (welches bei aelteren Aufnahmen aus den 80er Jahren als Gast mitwirkt) nicht unaehnlich ist. Spannung haelt sich durch keinerzeitige Vorhersenbarkeit des Geschehens, durch enorme Klangvielfalt, ueberraschende Auslassungen, Blendungen und Brueche, die Gegenueberstellung aeusserster Frequenzen, das grosse Arsenal harscher, trockener elektronischer Effekte und die jederzeitige souveraene Handhabung des Zeitablaufes. Auch feine rhythmische Strukturen und Versatzstuecke der musique concrete (gegen Ende von INCOMING, wo man Insektenschwirren, Voegel, Bellen hoert) tragen zur Frische bei. Andrew McKenzie (Hafler Trio) fasst vielleicht treffend das Wesen der Arbeit seines Freundes mit den Worten des armenischen Mystikers Gurdieff zusammen: 'Pouring from the empty into the void'.

--DvED, Odradek, Maerz 1996